Skandal um die Bezahlung der Pflegekräfte?
Nun hat es der vermeintliche Skandal sogar in die renommierte "heute-show" (ZDF, 12.03.2021) und in die "Anstalt" (ZDF, 16.03.2021) geschafft. Die Gewerkschaft ver.di erarbeitet mit einem kleinen Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag "Pflege", der das Lohnniveau für Pflegekräfte bei vielen privaten gewinnorientierten Anbietern heben könnte, und der katholische Wohlfahrtsverband Caritas sagt am 25. Februar: "Nein!"
Eigentlich war es auch nicht "die Caritas", sondern ein Gremium des Verbandes, aber ein entscheidendes.
Dieses "Nein" hat zwei gute Gründe und zugleich ein großes Problem
1. Das was ver.di und der Arbeitgeberverband BVAP da als neuen Tarifvertrag vorgelegt haben, ist "nicht das Gelbe vom Ei": Für Überstunden sind keine Zuschläge vorgesehen, eine betriebliche Altersvorsorge fehlt, und selbst die Urlaubsregelung ist nur mäßig. Der Vertrag liegt weit hinter dem, was Caritas und Diakonie (das evangelische Pendant) ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit Jahren bieten. Auch das Lohnniveau des neuen Vertrages ist Mittelmaß und reicht nach vielen Dienstjahren nur für die Grundsicherung im Alter.
2. Hätten Caritas und Diakonie dem Vertrag zugestimmt, wäre er zum neuen Maßstab in der gesamten Pflegebranche geworden. Und die finanziert sich nicht selbst, sondern über Kostenträger. Noch gelingt es in zähen Verhandlungen, dass die Pflegekassen den besseren Tarif von Caritas und Diakonie anerkennen und entsprechend zahlen (refinanzieren). Ist ein billigerer Einheitstarif da, wäre es vermutlich vorbei mit der fairen Entlohnung. Das will man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen der Caritas nicht zumuten.
Wie solidarisch ist die Caritas?
Zwei gute Gründe also, dem neuen Tarifwerk nicht zum Durchbruch in der Fläche zu verhelfen. Das große Problem: Die Caritas hat mit ihrem „Nein“ zwar die eigenen Leute geschützt, aber nicht zugleich verhindert, dass viele Pflegekräfte nach wie vor zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden - nicht unter dem Dach der Caritas, aber bei vielen Anbietern, die auf Rendite setzen. Zurecht also die kritische Frage: Wie solidarisch ist die Caritas?
Wer sich ein wenig mit der Materie befasst, entdeckt die Zwickmühle
Darf die Caritas die guten Rahmenbedingungen, die sie bietet, gefährden, damit andere in der Branche zu etwas mehr Lohn kommen? Die Lösung für dieses Dilemma: Es braucht mehr Geld und mehr Personal in der Pflege. Was sind wir als Gesellschaft bereit, für Pflegebedürftige aufzubringen? Wie viel Vorsorge kann jeder Einzelne leisten? Welche Mindeststandards muss die Politik den privaten Betreibern von Senioreneinrichtungen abverlangen, damit nicht nur die Würde von gebrechlichen Bewohnerinnen und Bewohnern, sondern auch die der Pflegerinnen und Pfleger gewahrt bleibt?
Es ist die Caritas, die seit Jahren die kritischen Fragen stellt und in zahlreichen Kommissionen um bessere Rahmenbedingungen für alle streitet. Das "Nein!" in Richtung ver.di war richtig; das Ringen geht weiter.
Dr. Sebastian Schoknecht
Caritas in Unterfranken, Diözesesanverband Würzburg
Für die, die mehr wissen wollen
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